Im Folgenden dokumentieren wir den Text des Interviews, das “Faszination Fankurve” anlässlich der repressiven Maßnahmen im Vorfeld des Revierderbys mit uns geführt hat:

„Sicherheitswahn macht jede Derbyatmosphäre kaputt“

Am Sonntag kommt es in Dortmund zum Revierderby. Durch den Boykott der Ultras Gelsenkirchen wird die Atmosphäre nicht vergleichbar mit vorherigen Derbys sein. Das ist ein Trend. Wir sprachen darüber mit ProFans, die eine Verbündung zwischen rivalisierenden Fanszenen fordern.

Die bundesweite Fanorganisation ProFans ist eine Interessenvertretung zahlreicher Ultràgruppen, auch wenn nicht nur Ultras bei ProFans organisiert sind. Im Interview mit Faszination Fankurve erklärt ProFans, warum die aktuelle Entwicklung bei Derbys für den deutschen Fußball zum Problem werden könnte.

Faszination Fankurve: Wenn wir uns anschauen, wie oft es seit dem 12.12.2012 zur Reduzierung von Kartenkontingenten für Gästefans kam – Kaiserslautern gegen Dresden, Rostock gegen Dresden im Hin- und Rückspiel, ebenso bei Münster gegen Osnabrück, Köln gegen Mönchengladbach und nun bei Dortmund gegen Schalke -, stellt sich die Frage: Wer ist verantwortlich dafür, dass die Kontingente reduziert werden?

ProFans: Hier könnte der sogenannte „Schulterschluss“, den man sich im Zuge der Sicherheitspapierdiskussionen im Jahre 2012 auf die Fahne geschrieben hat, ruhig auch mal greifen. Polizei, Vereine und Politik schieben sich den Ball zwar gegenseitig zu, in der Regel sind an solchen Maßnahmen unserer Erfahrung nach allerdings nicht nur eine, sondern mehrere Parteien beteiligt. So landet der Ball im Endeffekt wieder bei den Fans, die immer noch als Sicherheitsrisiko wahrgenommen werden. Wie die einzelne Gewichtung aussehen mag, kann von Stadt zu Stadt verschieden sein. Wenn bei dem einen Spiel die Vereine sich auf einen „Deal“ eingelassen haben, um die Sicherheitsbehörden zu befrieden, kann es bei dem anderen Spiel schon wieder die Polizei und die Politik sein, die nichts unversucht lassen, die Derbys mit einer Vielzahl von Auflagen zu versehen. Mittlerweile spielen hier wohl auch die Kommunen eine Rolle bei den jeweiligen örtlichen Ausschüssen. Was hier in manch einer Gesprächsrunde ohne Fanbeteiligung für ein Irrsinn beredet wird, vermögen wir uns gar nicht vorstellen zu wollen.

Faszination Fankurve: Sollten Fangruppen Druck auf eigenen Verein ausüben, da die Vereine teilweise diese Entscheidungen treffen?

ProFans: Die bei Pro Fans angeschlossenen Gruppen sehen die noch vorhandenen Drähte zu ihren eigenen Vereinen oftmals als die einzige realistische Chance argumentativ irgendetwas bewegen zu können. Unabhängig davon, ob die Entscheidungen nun von den Vereinen kommen oder von wem auch immer. Wir wissen auch um den Druck, dem manche Vereinsvertreter gegenüber Innenpolitikern, Verbänden und Sicherheitsorganen ausgesetzt sind. Von daher können wir uns schwer vorstellen, dass die Vereine von sich aus auf Maßnahmen wie verminderte Ticketkontingentierungen oder Personalisierung von Eintrittskarten kommen.

Faszination Fankurve: Was erwartet ihr von den verantwortlichen in Bezug auf diese Maßnahmen bei Derbys, die als Risikospiel eingestuft wurden?

ProFans: Das Thema „Derby“ muss endlich mal ernsthaft thematisiert werden. Ob medial, in den öffentlichen Diskussionen oder in der Vielzahl der Gesprächsrunden, die ein Derby so mit sich bringen, sollte man sich vor allen Dingen sachlich und mit Fakten begegnen. Wir nehmen ja an der ein oder anderen Veranstaltung teil. Dabei wird dieses grundsätzliche Thema auffälligerweise gemieden. Die Verbände und Vereine scheinen überhaupt kein Konzept zu haben, wie diesem Phänomen sinnvoll begegnet werden kann. Auf der einen Seite kann es für die Vermarktung der Ligen nicht genug Derbys geben und jedes Schrottspiel wird zu einem Derby erklärt, wie zum Beispiel Hoffenheim gegen Stuttgart. Zusätzliche Spiele (Stichwort Relegation) verstärken bestehende Rivalitäten sogar. Auf der anderen Seite macht der Sicherheitswahn jede echte Derbyatmosphäre kaputt. Die Chancen und Möglichkeiten, die ein Derby bereitet, werden kaum wahrgenommen.

Faszination Fankurve: Und was erwartet ihr von der Polizei?

ProFans: Eine Einmischung in innere Angelegenheiten der Vereine (Verkauf von Eintrittskarten) oder die Rechte von Fußballfans (Freizügigkeit) ist grundsätzlich inakzeptabel. Zumal die Lageeinschätzungen der Polizei in der Regel mehr als fragwürdig sind. Fragt mal die, die sich wirklich mit der Situation auskennen, also die Fanbeauftragten oder Fanprojekte nach den Prognosen der Polizei! Die haben oft ein großes Fragezeichen im Gesicht. In Wahrheit sind die Entscheidungen weder durch eine realistische Einschätzung zu rechtfertigen, noch haben sie irgendeinen konstruktiven Nutzen.

Faszination Fankurve: Was würde passieren, wenn die Fangruppen die Reduzierungen einfach hinnehmen würden?

ProFans: Einknicken wäre die schlechteste aller Reaktionen. Die nächste Schikane wird dann eine noch größere Kartenreduzierung oder ein komplettes Verbot von Gästefans sein. So viel ist klar. Es ist wichtig, dass die Fanszenen jetzt aktiv werden, bevor solche Maßnahmen wie bei den Montagsspielen irgendwann als „normal“ wahrgenommen werden und nachrückende Generationen damit aufwachsen.

Faszination Fankurve: Sind Demonstrationen am Spielort eine Lösung?

ProFans: Es ist immer wichtig, den Protest gegen solche absurden Maßnahmen in die Öffentlichkeit zu tragen. Natürlich hängt es auch vom konkreten Anlass ab. Wir erinnern uns an das komplette Verbot von Gästefans beim Spiel St. Pauli gegen Hansa Rostock im Jahr 2012. Das Ziel war es ganz offensichtlich der Polizei mehr Arbeit zu bereiten, als es bei einem „normalen“ Spielbesuch der Fall gewesen wäre. Das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gibt die Möglichkeit etwas gegen die Zustände zu unternehmen. In jedem Fall ist es besser, als resigniert und gefrustet zu Hause vor dem Fernseher zu hocken.

Faszination Fankurve: Was gibt es noch für Möglichkeiten gegen Reduzierungen von Kartenkontingenten vorzugehen?

ProFans: Das stärkste Mittel ist zweifelsohne die Solidarität! Getreu dem Motto „Getrennt in den Farben – in der Sache vereint“ sollten Fanszenen auch bei brisanten Derbys über ihren Schatten springen und gemeinsam agieren. Die Ausschlüsse von Gästefans, die dann doch durch Kartenvermittlung im Stadion auftauchten (Beispiel Union Berlin gegen Eintracht Frankfurt 2012) haben gezeigt, wie eindrucksvoll gemeinsame Aktionen sein können.

Faszination Fankurve: Sind solche Aktionen denn heute überhaupt noch möglich?

ProFans: Natürlich sind die Verantwortlichen heute mehr auf der Hut. Auch ist ein Derby nochmal eine andere Nummer, da kaum Karten zu erstehen sind. Unabhängig von der Aktion selbst ist unsere Empfehlung an die Fanszenen trotzdem klar: Verbündet euch mit euren Rivalen gegen die eigentlichen Feinde unserer Fankultur. Dass die Kölner Südkurve gegen Mönchengladbach nach dem Boykott der Gästefans auf organisierte Stimmung verzichtete, war ein starkes Zeichen. Denn auf ein emotionsloses Derby hat natürlich niemand Bock.

Faszination Fankurve: Zum Thema Boykott: Wenn die Ultras nicht wollen, gibt es auf einmal genug Derbytickets für alle. Wie bekommt man den unorganisierten Fan mit ins Boot, damit der Gästeblock beim Derby nicht doch ausverkauft ist?

ProFans: In erster Linie muss es eine gute Aufklärungsarbeit geben. Medial und vor Ort! Es ist wichtig, andere Gruppen, Fanclubs und Organisationen mit ins Boot zu holen und auch den sogenannten „normalen Fans“ zu vermitteln, dass Einschränkungen bei Tickets oder Transportwegen eben nicht nur die vermeintlich bösen Ultras oder Gewalttäter treffen, sondern langfristig dazu führen, Stadionbesuche für alle Fans noch restriktiver zu machen, als sie es jetzt schon sind. Durch gute Aufklärung und Information können wir außerdem diesen ewigen Versuchen Einhalt gebieten, zwischen „guten“ und „bösen“ Fans zu polarisieren, was die Polizei ja auch auf Demos gerne macht. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch die unorganisierten Fans von der Sache erfahren und sie mittragen, wird größer, je mehr organisierte Fans am Protest teilnehmen. Drittens sollten Alternativangebote organisiert werden.

Faszination Fankurve: Was für Alternativen empfehlt ihr?

ProFans: Ein gemeinsames Anschauen des Spiels, eine Demo oder ähnliches lässt die einzelnen Fans nicht im Regen stehen. Die Situation war eine andere, aber erinnern wir uns kurz daran, wie tausende Herthafans 2010 nach der Schließung der Ostkurve ihre Mannschaft gegen Stuttgart in der Berliner Waldbühne unterstützten. Solche Alternativangebote können die Masse und auch die Öffentlichkeit überzeugen. Also: Versucht noch größer zu denken!

Faszination Fankurve: In eurer Pressemitteilung bezüglich der Derbys in Osnabrück und Münster heißt es: „Mit dem Ausschluss [der Gäste] beraubt man sich einmal mehr seiner Stärken im internationalen Vergleich […].” Könnt Ihr diesen Satz, evtl. mit aktuellem Bezug, etwas genauer erläutern?

ProFans: Diese Aussage ist im Zusammenhang mit dem internationalem Wettbewerb zu sehen, der ja z.B. im TV-Rechte-Diskurs immer wieder von Vereinen und Verbänden beschrien wird. England ist, was die TV-Gelder angeht, uneinholbar vorne und wird das auch bleiben. Was kann die Bundesliga dagegenhalten? Unserer Meinung nach sollte die Liga und damit auch ihre Verbände die vorhandenen Stärken der Bundesliga nutzen, zu denen vor allem die Derbys mit ihrer besonderen Atmosphäre und den Aktionen der hier noch bestehenden Fanszenen gehören. Statt dieses Alleinstellungsmerkmal zu nutzen, geht man auch hier den englischen Weg und lässt die Emotionen eines Derbys aussterben. Insbesondere ist hier natürlich das Derby Dortmund gegen Schalke zu nennen, welches bei Spielern und den Fans auf der ganzen Welt als eines der emotionalsten Spiele der Saison betrachtet wird. Wir raten der Liga dringend, den eingeschlagenen Weg abzubrechen und Derbys als Alleinstellungsmerkmal gegenüber den „toten Ligen“ in England oder Spanien zu akzeptieren!

Faszination Fankurve: Eben haben wir bereits über die Fanszenen gesprochen. Was aber ratet ihr konkret den Verbänden in Bezug auf derartige Maßnahmen bei Derbys oder auch anderen Spielen?

ProFans: Natürlich fordern wir, derartige Maßnahmen bei sämtlichen Spielen unmissverständlich und ohne Ausnahme zu stoppen und mögliche weitere Pläne dorthin zu stecken, wo sie hingehören: in den Mülleimer beschissener DFB- und DFL-Ideen. Damit geht ein Bekenntnis einher, dass man sich der besonderen Bedeutung von Gästefans für die allseits gewünschte besondere Derbystimmung bewusst ist und diese nicht als Mittel für sinnlose Verbote oder Beschränkungen ansieht. Leider muss man inzwischen bezweifeln, dass einige Herren sich eben jener Dinge bewusst sind. (Faszination Fankurve, 04.11.2015)

Link zum Artikel bei Faszination Fankurve

Die unabhängigen Fanorganisationen ProFans, UnsereKurve, Queer Football Fanclubs und F_in Netzwerk Frauen im Fußball haben am 14. Oktober 2015 den bestehenden Fandialog innerhalb der Kommission Sicherheit, Prävention und Fußballkultur beim Deutschen Fußball Bund (DFB) beendet.

Ergebnisorientierte Gesprächsbereitschaft und Wertschätzung wurden über Jahre hinweg nicht etabliert. Reform von Dialog- und Beschlussstrukturen wird gefordert.
Gemeinschaftlich haben die großen, mitgliederstarken Fanorganisationen „ProFans“ und „UnsereKurve“ als auch die Queer Football Fanclubs und F_in keinen dauerhaften und ernsthaften Willen des Verbandes DFB erkennen können, mit Fußballfans einen transparenten und zielführenden Dialog etablieren zu wollen. Die Arbeit der AG Fanbelange / Fanarbeit, dem einzigen Gremium für einen institutionalisierten regelmäßigen nationalen Dialog des DFB mit Fußballfans, wurde bisher konsequent aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Dadurch wird das Bild der Fußballfans fast ausschließlich durch polarisierende Politiker, Polizeigewerkschafter und Medien geprägt. “Hier wird regelmäßig die Chance vertan, einen sachlichen, fachlichen Gegenpol zu der oftmals hysterischen Darstellung zu bilden!”, so eine Vertreterin von F_in.

Obwohl die Verbände die Einzigartigkeit der Fußballfankultur in Deutschland permanent loben, auch um damit höchstmögliche Erlöse in der Vermarktung des Profifußballs zu erzielen, werden Dialog und Kooperationen mit den Fußballfans immer wieder torpediert oder ausgebremst. “Konstruktive Ideen, erarbeitet von Menschen an der Basis mit dem nötigen Sachverstand, ersticken in den Strukturen eines bürokratischen Verbandes.”, erklärt Dirk Middeldorf von Queer Football Fanclubs den über Jahre gewachsenen Frust der Fans.

“Entscheidern wird diese Expertise nur gefiltert zugänglich gemacht, nicht selten hat man den Eindruck, dies sei so gewollt.”, fügt Tobias Westerfellhaus von UnsereKurve hinzu.
Themen wie Kombitickets, Fanutensilien oder der Umgang mit sicherheitsrelevanten Vorkommnissen wurden zwar besprochen, jedoch verpuffte das Ergebnis unter der Last der Bürokratie.

Diese Umstände gepaart mit immer neuen Schikanen und Strafen des DFBSportgerichts, die vorallem unschuldige und unbeteiligte Fans treffen und eine eigene Rechtsprechung neben der demokratisch legitimierten darstellen, lassen den Unmut in den Fanszenen zusätzlich wachsen. Den Sinn solcher Gesprächsrunden an die durch die Organisationen vertretenen Fans zu vermitteln wird nahezu unmöglich.

Um dieses zu verdeutlichen und ggf. auch eine öffentliche Diskussion über den wirklichen Wert der Fußballfankultur in Deutschland für Gesellschaft und Fußball anzustoßen, ist der gemeinsame Austritt aus der AG Fanbelange / Fanarbeit und die damit verbundene öffentliche Debatte ein probates Mittel.

“Fußballfans betrachten unabhängig aller Differenzen mit dem DFB die Beteiligung und Mitsprachemöglichkeit mit Verbänden und Verantwortlichen im Fußball als ein wertvolles Gut!”, sagten die Fanvertreter unisono. Sie betonen, dass dieser Schritt keineswegs einen vollständigen Bruch des Dialogs auf Bundesebene bedeuten muss.

“Schließlich hat der zweite Verband, die Deutsche Fußball Liga (DFL), in den letzten Monaten gezeigt, dass sie im Gegensatz zum DFB gewillt zu sein scheint, Fanbelange ernst zu nehmen.”, betont Alex Schulz von ProFans den Unterschied im Umgang beider Verbände mit Fanthemen.

“Für uns ist dies sicher kein leichtfertiger, aber ein notwendiger Schritt! Schließlich investieren wir unsere Freizeit in dieses Ehrenamt und haben deshalb auch entsprechende Erwartungen.”, stellen Alex Schulz und Tobias Westerfellhaus noch einmal klar, dass es sich bei dem Austritt um eine durch den Verlauf der Gespräche abzusehende Konsequenz handelt.

Mit Verärgerung reagiert ProFans auf Maßnahmen, die Gästefans ausschließen, wie bei der Begegnung des VfL Osnabrück gegen Preußen Münster, oder wie am letzten Wochenende zum Spiel des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach nur unter repressiven Auflagen zulassen. Da seitens des DFB bereits angekündigt wurde, ähnliche Maßnahmen auch in den Rückspielen anzuwenden, fordert ProFans als Bündnis aktiver Fans und Fangruppen nicht nur die Aufhebung der für die Rückspiele geplanten Einschränkungen, sondern generell die Abschaffung derartiger Praktiken.

Zwar unterscheiden sich beide Strafen auf den ersten Blick in ihrer Umsetzung, das Ziel, nämlich unbequeme Fans nicht im Stadion und dessen Nähe zu haben, ist allerdings beiden gemein. Bereits im Februar warnten wir davor, Populismus walten zu lassen, doch ist im Nachgang genau das geschehen: Statt sich ernsthaft mit der Thematik auseinanderzusetzen, werden erneut Kollektivstrafen gegen die komplette Anhängerschaft der jeweiligen Vereine ausgesprochen. Seit längerer Zeit fordern wir eine Abkehr von dieser Praxis und betonen angesichts der aktuellen Maßnahmen: “In der politischen Kultur Deutschlands sind Kollektivstrafen aus guten Gründen seit Jahrzehnten geächtet. Nur der DFB hält sie nach wie vor für opportun, wie erschreckenderweise auch einige Innenpolitiker. Dabei werden sie von den Betroffenen immer als ungerecht empfunden und sind in keinerlei Hinsicht zielführend. In fast allen derartigen Fällen sollen Verfehlungen einer relativ kleinen Zahl von Fans geahndet werden. Die weitaus überwiegende Mehrheit hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, verhält sich auch sonst korrekt und stellt dank ihres besonnenen Handelns einen wichtigen Sicherheitsfaktor dar. Genau diese Fans aber sind es, die durch Kollektivstrafen getroffen werden, und zwar nicht nur in Einzelfällen, sondern überwiegend”, so ProFans-Sprecher Sig Zelt. „Natürlich suchen Fußballfans dann Wege, derartige Verbote zu umgehen, was auch teilweise gelingt, wie sich etwa beim Spiel der Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 gezeigt hat. Der Sinn solcher Maßnahmen wird damit zusätzlich konterkariert.“

Insbesondere bei Derbys spielen Gästefans eine besondere Rolle, die aufgrund der Strafen sicht- und hörbar fehlen wird. “Derbys sind seit jeher die interessantesten Spiele einer Saison, sogar über die Grenzen der beteiligten Fan-Lager hinaus. Vor allem aufgrund der besonderen Stimmung innerhalb der Stadien sind solche Begegnungen Aushängeschilder der jeweiligen Ligen. Die Choreografien und die aufgeheizte Stimmung verleihen diesen Spielen den besonderen Rahmen und machen sie für alle Beteiligten zu etwas Besonderem. Mit dem Ausschluss beraubt man sich einmal mehr seiner Stärken im internationalen Vergleich und vergibt eine weitere Chance, den Umgang mit Fans zu verbessern”, so ProFans-Sprecher Jonas Negenborn.

Weiterhin stimmt das Zustandekommen der jeweiligen Maßnahmen und die Rolle, die Politik und Polizei dabei spielen, bedenklich. ProFans fragt sich, ob es förderlich für die zukünftige Entwicklung des Fußballs und der Ligen innerhalb Deutschlands sein kann, wenn Politiker und Polizei, die bei derartigen Themen meist populistisch und hysterisch reagieren, eine derart große Rolle innerhalb der Maßnahmenfindung des DFB spielen. Der DFB täte gut daran, derartige Parteien bei seiner Entscheidungsfindung auszuschließen und stattdessen in den entsprechenden Fällen sachlich und neutral zu urteilen.

ProFans im September 2015

Auch wenn die neue Saison bereits gestartet ist, möchten trotzdem wir nochmal kritisch auf die diese unsäglichen Wochen Ende Mai – Anfang Juni zurückblicken.

Obwohl die Saison 2014/15 bereits abgeschlossen ist, sind die Ernüchterung und die Frustration zum Saisonende noch nicht vergessen. Wohl kaum ein Fußballfan wird die Relegation emotionslos verfolgt haben.

Karlsruhe, Kiel, Saarbrücken und Offenbach sind nur Beispiele trauriger jüngster Ergebnisse dieser Relegation. So fühlen sich all diejenigen, welche zuvor sportlich erfolgreich waren, am Ende als die großen Verlierer der Saison. Die Gründe dafür sind oft verschieden, die Dramen jedoch erschreckend identisch. Während in den unteren Ligen selbst der Meister der Klasse nicht automatisch aufsteigt, retten sich im Oberhaus, die strukturell meist bedeutend besser aufgestellten Erstligisten, so meist vor ihrem verdienten Abstieg.

Ein weiterer plausibler Grund dafür könnte die mentale Situation sein in der sich Spieler, Vereine, Fans und Umfeld in diesem Moment der „letzten Chance“ wiederfinden. Was sich gegen Ende der Saison hin nicht selten als Nachteil darstellte, entwickelt sich im Moment von „Alles oder nichts“ schnell zum Vorteil. So hat in der Regel der Verein mehr zu verlieren, der Gefahr läuft abzusteigen, als die klassentieferen Vereine bei einem Aufstieg gewinnen könnten. Dies spielt sich auch in den Köpfen der Spieler ab und lässt üblicherweise für eben DIE letzte Chance eine viel größere Leistungsfähigkeit abrufen als üblich, was einen weiteren Wettbewerbsvorteil darstellt.

Am Ende der Saison werden Mannschaften so also um den verdienten Aufstieg gebracht. Während andere Mannschaften, die konstant spielerisch schlechte Leistungen abgeliefert haben, die dem Niveau der Liga nicht gerecht waren, die Klasse unverdient halten. Im Amateurfußball genauso wie in Liga eins, zwei und drei!

Finanzielle Interessen stehen hier offensichtlich im Vordergrund. Die zusätzlichen Spiele bieten der DFL eine Möglichkeit, weitere Einnahmequellen mit TV-Rechten zu erschließen. Durch die künstlich erzeugte Spannung in den Relegationsspielen, wo es für Fans und Vereine um „Alles oder Nichts“ geht, sind hohe Einschaltquoten garantiert. Der Fan, der seine Mannschaft im Stadion unterstützen möchte, wird mit einem „Topspiel-Zuschlag“ auf die Eintrittspreise und weiten Auswärtsfahrten nochmals zur Kasse gebeten.
Eine weitere Ungerechtigkeit stellt die sogenannte Auswärtstorregel dar. Gerade aus Bremer Sicht erinnert man sich ungern an die Relegation der Saison 2013/14. Es gelang dem HSV ohne eines der beiden Spiele gewonnen und in keinster Weise überzeugt zu haben, die Klasse durch ein einziges Auswärtstor zu halten.

Gerade nach der aktuellen Relegation sind sich wohl weitaus mehr Fans einig, dass diese wieder abgeschafft werden muss. Die Mühen einer ganzen Saison sollen sich, insbesondere für einen Meister, wieder auszahlen.

So sagen wir es laut und deutlich: Relegation abschaffen!

ProFans Bremen

„Das Stadion ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.“ – Diesen Satz nutzte ProFans bereits häufiger in Diskussionen, wenn es wieder einmal einen Aufschrei in der Öffentlichkeit zum Thema Sicherheit beim Fußball gab. Negative Erscheinungen finden sich eben in einem Stadion genauso wieder, wie im Alltag auch. Bestätigt wird dieser Satz leider aktuell durch Vorfälle in der ganzen Republik.

Warnt das Fanbündnis schon seit Längerem vor dem Erstarken rechter Kräfte in den Fankurven, sieht man eben diese Kräfte jetzt wieder gehäuft auf den Straßen und vor Flüchtlingsunter-künften. In den Stadien wollen engagierte Fans menschenverachtendes Denken fernhalten, doch werden sie selbst vorwiegend als Sicherheitsrisiko behandelt, während die Zahl der braunen Rattenfänger steigt und steigt. Im Stadion wie überall. „Das Stadion ist ein Spiegelbild der Gesellschaft“, trifft es sehr deutlich.

Für Fußballfans und allen voran Ultras ist die Fankurve jedoch ein bunter und kreativer Ort, an dem Ausgrenzung und Diskriminierung keinen Platz haben. Spieler und Spielerinnen aus der ganzen Welt tragen die Farben des Vereins, den man so liebt, die Freunde in der Fankurve haben verschiedene Hautfarben, Religionen und sexuelle Orientierungen. Die von uns gelebte Fankultur hat Einflüsse aus England und Südeuropa, aber auch aus Polen und vom Balkan. Unter der Woche staunen wir über YouTube-Videos aus Südamerika, Griechenland oder Afrika. Fußball verbindet, und so gibt es nicht wenige Freundschaften zu Fanszenen im Ausland. Fankultur lebt von „Multikulti“, von allen Einflüssen, aus denen man kreative Ideen für die Unterstützung seines Teams ziehen kann. Und nicht zuletzt vom großen Gemeinschaftsgefühl für die gemeinsame Leidenschaft.

Die ProFans angeschlossenen Gruppen eint ein antirassistischer Grundkonsens, dessen Anerkennung Voraussetzung für das Mitwirken jeder einzelnen Gruppe in der Fanorganisation ist. Dieser ist aktueller als je zuvor. Wie in den Kurven darf auch in der Gesellschaft kein Platz für Intoleranz und Diskriminierung sein! Viele Fangruppen engagieren sich deshalb auch außerhalb des Stadions für Flüchtlinge, helfen bedürftigen Menschen oder organisieren und beteiligen sich an Demos gegen Nazis.

ProFans wünscht sich, dass diese Aufgeschlossenheit und dieses Engagement nicht nur beim Fußball die Einstellung einiger Kurven und Fangruppen kennzeichne, sondern dass der Einsatz für Menschenrechte und gegen Diskriminierung in allen Stadien und darüber hinaus in unserer ganzen Gesellschaft wie auch seitens Politik und Medien selbstverständlich sei.

ProFans im August 2015