Die Frage der Teilnahme der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an der WM in Katar spaltet die Fußballgemeinschaft. Das Bündnis ProFans hat den DFB in einem Offenen Brief aufgefordert, eine Mitgliederbefragung durchzuführen und das Ergebnis zu veröffentlichen.

Hier der Wortlaut des Briefes vom 23. Mai 2022 , der dem DFB am Tag darauf zuge­gangen ist:

Sehr geehrter Herr Neuendorf, sehr geehrte Damen und Herren, Freunde des Fußballsports,

das Saisonende ist erreicht; so richten wir unsere Blicke darauf, was uns in der nächsten Saison erwartet.

Am heutigen Tag, da wir diesen Brief an Sie richten, treffen beim Weltwirtschafts­forum in Davos die Herren Scheich Tamim Bin Hamad und Gianni Infantino zusammen. Der Titel der Session „Sport als verbindende Kraft“ wäre eine wunder­­bare Agenda, würde er für uns in dem konkreten Zusammen­hang nicht wie blanker Hohn klingen.

Wie Sie wissen, haben wir den DFB am 8. März 2021 öffentlich aufgefordert, auf die Teilnahme an der WM 2022 in Katar zu verzichten. Auf diese Initiative hin erhielten wir ein überwältigendes zustimmen­des Echo: um Vieles stärker als auf alle anderen unsere Aktionen in den letzten Jahren.  In zahlreichen Stadien wurden Transparente gezeigt, die in die gleiche Richtung wiesen.

Wir haben aber auch gelernt, dass für einige Sportfreunde die Argumente pro Teil­nahme trotz aller Vorbehalte schwerer wiegen. Zu jenen gehörte die alte DFB-Führung. Gleichwohl hat es uns ver­blüfft, wie unbeeindruckt von allen Protesten der DFB die Planungen für die Teilnahme der National­mann­schaft an dieser WM weiter voran­getrieben hat.

Für uns zählt nach wie vor, dass die WM eine Veranstaltung sein wird, die direkt mit der gnadenlosen Ausbeutung von Arbeitsmigranten und mit dem Leben vieler junger und bei der Einreise nach Katar noch kerngesunder Menschen bezahlt wurde. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es in höchstem Maße unan­ständig wäre, darauf ein rauschendes Fußballfest zu feiern. Für uns, die uns angeschlosse­nen Gruppen und die große Mehrzahl ihrer Mitglieder wird die WM kein Freude spen­dender Anlass sein und kein Gegenstand besonderen Interes­ses. Nein, unsere WM ist das nicht!

Dabei ist uns klar, dass wir darüber zunächst nur für uns selbst beschließen können, nicht für den DFB. Wir denken aber auch, dass die Entscheidung bei einer Angelegen­heit von derart hoher gesellschaft­licher und moralischer Brisanz nicht über die Köpfe der sieben Millionen Menschen hinweg getroffen werden sollte, die den Vereinen angehören, welche in den dem DFB zugehörigen Landes- und Regio­nalverbänden und in der Deutschen Fußball-Liga organisiert sind.

Wenn wir richtig verstanden haben, ist es Ihr Anliegen, den verheerenden Image­schaden, den der DFB in den letzten Jahren erfahren hat, zu heilen und dazu auch einen neuen Führungsstil zu etab­lie­ren. Es wäre ein glaubwürdiges Zeichen, diese Absicht mit einer ebenso inhaltsschweren wie symbol­trächtigen Handlung zu unter­setzen. Die Teilnahme des DFB an der Weltmeisterschaft spaltet die Fußballgemein­schaft Deutschlands. Eine Mitgliederbefragung würde immerhin zeigen, was die Mehr­heitsmeinung ist. Damit könnten wohl auch diejenigen leben, die auf der anderen Seite stehen. Jetzt, ein halbes Jahr vorher, ist für ein solches Voting noch Zeit.

Wir fordern hiermit den DFB auf, zur Frage der Teilnahme an der WM in Katar eine Befragung unter allen sieben Millionen mittelbar dem DFB zugehörigen Menschen durchzuführen und das Ergebnis öffentlich zu machen.

Mit sportlichen Grüßen

Bündnis ProFans

 

Der Brief trägt das Datum vom 23. Mai 2022 und wurde dem DFB am darauffolgenden Tag zugestellt.